TL;DR – Das Wichtigste auf einen Blick
Trichiasis ist eine Augenerkrankung, bei der Wimpern fehlerhaft nach innen in Richtung des Augapfels wachsen und dabei an der Hornhaut oder Bindehaut reiben. Die nach innen gerichteten Wimpern verursachen Augenreizungen, Fremdkörpergefühl und können unbehandelt zu Hornhautschäden führen. Die Behandlung reicht von der einfachen Entfernung mit der Pinzette bis hin zu dauerhaften Verfahren wie Elektrolyse oder Kryochirurgie. Eine frühzeitige Behandlung verhindert langfristige Schäden am Auge.
Was ist Trichiasis?
Trichiasis (altgriechisch τριχίασις, „Haarkrankheit“) ist der medizinische Fachausdruck für ein Wimpernscheuern, das Reiben von Wimpern auf der Hornhaut oder der Bindehaut des Auges. Der Begriff wurde bereits von Galen als medizinischer Fachausdruck verwendet und bezeichnet eine Erkrankung, bei der eine oder mehrere Wimpern abnormal nach innen wachsen, anstatt wie gewöhnlich nach außen zu zeigen.
Die Trichiasis kann sowohl am Oberlid als auch am Unterlid vorkommen. Es ist dabei manchmal nur eine Wimper betroffen, aber es kann auch die komplette Wimpernreihe beteiligt sein. Diese Fehlstellung unterscheidet sich wesentlich vom Entropium, einer Erkrankung bei der das gesamte Augenlid nach innen gedreht ist – bei der Trichiasis ist die Lidstellung normal.
Ursachen der Trichiasis
Erworbene Ursachen
Die Trichiasis ist meist idiopathisch, aber zu den bekannten Ursachen gehören Blepharitis, posttraumatische und postoperative Veränderungen, Vernarbung der Bindehaut. Die häufigsten Auslöser sind:
Entzündliche Erkrankungen: Trichiasis entsteht normalerweise nach einiger Zeit im Verlauf einer chronischen Blepharitis (Entzündung der Augenlidränder). Auch andere chronische Augeninfektionen können das normale Wimpernwachstum beeinträchtigen.
Trachom: Trachom ist die häufigste infektiöse Ursache für Erblindung weltweit und insgesamt die achthäufigste Blindkrankheit. Die trachomatöse Trichiasis ist das Ergebnis multipler Infektionen mit Chlamydia trachomatis seit der Kindheit, was zu chronischen Entzündungen und Narbenbildungen führt.
Traumatische Ursachen: Verletzungen des Augenlids, wie Stöße, Verbrennungen oder Operationen, zum Beispiel nach einer Korrektur des Augenlids, können zu Narbenbildung und dadurch zur Trichiasis führen.
Systemische Erkrankungen: Okulares Schleimhautpemphigoid, atopische Keratokonjunktivitis, Stevens-Johnson-Syndrom oder chemische Verletzungen können durch Vernarbung der Bindehaut eine Trichiasis verursachen.
Altersbedingte Veränderungen: Mit zunehmendem Alter kann die Struktur und Elastizität des Augenlids nachlassen, was dazu führen kann, dass die Wimpern nach innen drehen.
Angeborene Formen
Epiblepharon (eine zusätzliche Hautfalte am unteren Augenlid, die die Wimpern in eine vertikale Position bringt) und Distichiasis (eine angeborene zusätzliche Wimpernreihe) können bereits von Geburt an zu einer Trichiasis führen.
Symptome und Beschwerden
Typische Anzeichen einer Trichiasis
Das in Richtung Augapfel gerichtete Wimpernwachstum irritiert die Oberfläche von Bindehaut und Hornhaut und führt zu Schmerzen, tränenden Augen und Lichtempfindlichkeit.
Die charakteristischen Symptome umfassen:
- Fremdkörpergefühl: Symptome sind Fremdkörpergefühl, Tränenträufeln und rotes Auge
- Augenreizung und Rötung: Ständige mechanische Reizung führt zu anhaltenden Beschwerden
- Tränenfluss: Das Auge reagiert mit verstärkter Tränenproduktion
- Lichtempfindlichkeit: Photophobie als Schutzreaktion
- Schmerzen: Besonders beim Blinzeln und bei Augenbewegungen
- Juckreiz: Zunächst kommt es zu einer starken Rötung der Horn- und Bindehaut mit starkem Juckreiz
Der Teufelskreis der Trichiasis
Das vermehrte Zukneifen des Auges als Reaktion auf den Reiz kann die Einwärtswendung im Sinne eines circulus vitiosus weiter verstärken. Patienten neigen dazu, die Augen zu reiben oder zu kneifen, was die Fehlstellung der Wimpern noch verschlimmert.
Folgen unbehandelter Trichiasis
Kurzfristige Komplikationen
Eine starke Bindehautentzündung ist nicht selten. Die ständige mechanische Reizung kann zu akuten Entzündungsreaktionen führen.
Langfristige Schäden
Wird die Trichiasis nicht behandelt, sind Hornhautwucherungen, Vernarbungen und Sehstörungen, bis hin zum Sehschärfeverlust die Folge. Die Regenerationsversuche der klaren Hornhaut können zur Bildung von undurchsichtigen Narben führen, die das Sehvermögen dauerhaft reduzieren.
Eine Hornhautulzeration und Narben können in chronischen Fällen auftreten. Zusätzlich erhöht sich das Infektionsrisiko, da durch den fehlenden Schutz der Deckzellschicht Keime schneller Infektionen der Bindehaut und Hornhaut verursachen können.
Diagnose der Trichiasis
Klinische Untersuchung
Die Diagnose wird in der Regel klinisch gestellt. Die Trichiasis unterscheidet sich von einem Entropium dadurch, dass die Lidstellung normal ist. Die Diagnose ist eine Blickdiagnose mit der Spaltlampe durch den Augenarzt.
Differentialdiagnose
Die Abgrenzung zu anderen Lidfehlstellungen ist wichtig:
- Entropium: Hier ist das gesamte Lid nach innen gedreht
- Pseudotrichiasis: Tritt bei der Einstellung von Lidfehlstellungen auf, einschließlich Entropium und Epiblepharon
- Distichiasis: Zusätzliche Wimpernreihe aus den Meibom-Drüsen-Öffnungen
Weiterführende Diagnostik
Zur Untersuchung gehört eine Fluorescein-Färbung, mit der eine Hornhauterosion oder -ulzeration ausgeschlossen werden kann. Eine Bindehautbiopsie kann jedoch durchgeführt werden, wenn Trachom oder Stevens-Johnson-Syndrom vermutet wird.
Behandlungsmöglichkeiten bei Trichiasis
Konservative Maßnahmen
Symptomkontrolle: Gleitmittel, wie künstliche Tränen und Salben, lindern die reizenden Auswirkungen des Wimpernreibens. Diese Maßnahmen behandeln jedoch nur die Symptome, nicht die Ursache.
Behandlung der Grunderkrankung: Immunmodulatorische Therapie und unterstützende systemische Therapie werden bei okularem Zykluspemphigoid und Stevens-Johnson-Syndrom eingesetzt. Bei Trachom sollten den Betroffenen und allen Familienmitgliedern Antibiotika verabreicht werden.
Mechanische Entfernung
Pinzettenepilation: Bei Patienten mit Trichiasis kann ein Augenarzt die Wimpern mit einer Pinzette entfernen. Die mechanische Epilation mit einer Pinzette ist eine einfache vorübergehende Methode, aber die Wimpern wachsen in drei bis sechs Wochen nach.
Dauerhafte Behandlungsverfahren
Elektrolyse: Elektrolyse (Einsatz von Hitze und elektrischem Strom, um die Haarfollikel zu zerstören) bietet eine dauerhaftere Lösung. Die Elektrolyse mit einem hochfrequenten elektrischen Strom ist ein nützliches Verfahren für wenige isolierte Wimpern, hat aber eine hohe Rezidivrate und kann eine Vernarbung des angrenzenden Augenlidrandes verursachen.
Kryotherapie: Kryochirurgie (Einsatz von extremer Kälte zur Zerstörung von Haarfollikeln) ist eine bewährte Methode. Die Kryoepilation hat sich als eine effektive und schonende Therapieform bei Trichiasis unterschiedlicher Genese erwiesen, ist für den Patienten wenig belastend (Lokalanästhesie ohne Prämedikation) und kann bei Bedarf wiederholt werden.
Kryotherapie ist wirksam bei segmentaler Trichiasis. Die Kryosonde wird für ca. 25 Sekunden auf das betroffene Segment aufgetragen, auftauen gelassen und dann für 20 Sekunden wieder eingefroren (doppelte Frost-Tau-Technik).
Laserbehandlung: Argon-Laser-Photokoagulation kann durchgeführt werden, um einige isolierte Wimpern abzulegen. Der 810 nm Diodenlaser ist ein wirksames Werkzeug bei der Behandlung von Trichiasis. Die Epilation von Wimpern mit Hilfe des Argonlasers führt zu kosmetisch und funktionell besseren Ergebnissen als die sogenannte Elektroepilation und die Kryotherapie.
Radiofrequenzablation: Bei der Radiofrequenzablation wird ein kleiner Messdraht neben der Wimper in den Follikel eingeführt. Ein Hochfrequenzsignal wird dann abgegeben, um den Haarfollikel zu zerstören. Diese Technik ist einfach durchzuführen und kann unter örtlicher Betäubung erfolgen.
Chirurgische Behandlung
Bei schwerer oder resistenter Trichiasis können operative Eingriffe notwendig werden:
- Lidplastik zur Korrektur der Lidstellung
- Teilresektion des wimperntragenden Lidbereichs
- Operation mit fünfeckiger Resektion voller Dicke oder einer vorderen lamellenroten Rotationsexzision bei segmentaler Trichiasis, die gegen andere Behandlungsmethoden resistent ist
Prognose und Nachsorge
Behandlungserfolg
Alle nachkontrollierten Patienten sind nach einer durchschnittlichen Beobachtungszeitdauer von 3 Monaten beschwerdefrei. Bei 8 Patienten war auf Grund eines Rezidivs, eine ein- oder mehrmalige Wiederholung der Behandlung notwendig.
Rezidivrisiko
Die Wahrscheinlichkeit eines Wiederauftretens hängt von der gewählten Behandlungsmethode ab. Dauerhaftere Behandlungen wie Elektrolyse und Kryotherapie bieten jedoch ein geringeres Risiko für ein erneutes Auftreten.
Nachsorge
Regelmäßige augenärztliche Kontrollen sind wichtig, um:
- Den Behandlungserfolg zu überwachen
- Rezidive frühzeitig zu erkennen
- Die Gesundheit der Hornhaut zu überwachen
- Bei Bedarf Nachbehandlungen einzuleiten
Häufige Fragen zu Trichiasis
Ist Trichiasis eine häufige Erkrankung?
Trichiasis ist weltweit relativ häufig, wobei die Prävalenz in bestimmten Regionen aufgrund endemischer Infektionskrankheiten wie dem Trachom besonders hoch ist. In ländlichen Regionen von Afrika und Asien kann die Häufigkeit bei Erwachsenen bis zu 10 % betragen.
Kann Trichiasis von selbst verschwinden?
Bei angeborenen Formen kann eine spontane Besserung eintreten, jedoch ist bei erworbener Trichiasis eine Behandlung meist erforderlich, um Folgeschäden zu vermeiden.
Welche Behandlung ist am besten geeignet?
Die optimale Behandlung hängt von verschiedenen Faktoren ab:
- Anzahl der betroffenen Wimpern
- Lokalisation (Ober- oder Unterlid)
- Grunderkrankung
- Patientenalter und Allgemeinzustand
Können die Wimpern nach der Behandlung wieder nachwachsen?
Das Rezidivrisiko variiert je nach Behandlungsmethode. Während die Pinzettenepilation meist nur temporär wirkt, bieten Kryotherapie, Elektrolyse und Laserbehandlung dauerhaftere Ergebnisse.
Prävention von Trichiasis
Eine direkte Vorbeugung ist nicht immer möglich, jedoch können folgende Maßnahmen das Risiko reduzieren:
- Behandlung von Augeninfektionen: Frühzeitige und konsequente Therapie von Blepharitis und anderen Augenlidentzündungen
- Schutz vor Verletzungen: Vermeidung von Traumata im Augenbereich
- Hygiene: Gute Augenhygiene zur Vorbeugung chronischer Entzündungen
- Regelmäßige Kontrollen: Besonders bei Patienten mit Risikofaktoren
Wann sollten Sie einen Augenarzt aufsuchen?
Ein augenärztlicher Rat ist erforderlich bei:
- Anhaltender Augenreizung oder Fremdkörpergefühl
- Sichtbar nach innen wachsenden Wimpern
- Wiederkehrenden Augenentzündungen
- Verschlechterung der Sehschärfe
- Lichtempfindlichkeit und Tränenfluss
Je früher Trichiasis behandelt wird, desto besser lassen sich Folgeschäden vermeiden. Eine rechtzeitige Behandlung kann dauerhafte Schäden an der Hornhaut verhindern und die Lebensqualität erheblich verbessern.